Mit Pedding ist
hier natürlich nicht gemeint worauf Sie gehofft haben, das
wird ja auch ganz anders geschrieben. Nein, Ihre Pudding-Rezepte,
die müssen Sie sich schon woanders wegholen. Hier geht es
eher um die historischen Gebräuche, kostengünstig -
ohne Angel, Kutter oder Fangfabrikschiff - eine vollwertige Mahlzeit
aus dem Meer zu erobern. Hier geht es zum Beispiel um das Buttpedden.
Vorweg: Das Nordseebad Wremen ist seit je her landwirtschaftlich
ausgerichtet und durch
seine Geographie und verschiedene wirtschaftsstrukturelle Entwicklungen
auch als Fischerdorf geprägt. Noch heute zieren ein wunderschöner
ortsnaher Kutterhafen, der Museums-Kutter "Koralle"
mitten im Dorf und eine aktive Krabbenfangflotte das idyllische
Bild unserer Gemeinde. Und in einem solchen Fischerdorf wird
natürlich gefischt! Angeln können Sie woanders. Eine
der schwierigsten Fragen unserer Urväter war wohl auch die,
welchen Fischen nachgestellt und
wie das am besten und ergiebigsten vonstatten gehen sollte. Bei
der Auswahl der Fischarten ging man recht clever zu Werke und
entschied sich für die Arten, die ohnehin in der heimischen
Wesermündung vorkamen. Als da waren Garnele, Krabbe, Granat
- na die crango vulgaris eben, dann der Räucher- oder Schmuttaal
und last but not least der Butt oder richtiger wohl die Flunder.
Dieser sagt man ja eine Verwandtschaft ersten Grades mit der
Scholle, der Seezunge und sogar mit der Limanda limanda also
der Kliesche aus der Familie der Pleuronectidea nach. Bitte Limanda
limanda nicht verwechseln mit Limandes (auch "echte Rotzunge",
lateinisch "Microcostomus kitt") einer Kostbarkeit
unter den Plattfischen. Lassen Se sich also beim nächsten
Besuch in der Fischbratküche keinen Bären aufbinden
und zahlen Sie nicht den hohen Limandes-Preis für die billige
Kliesche! Gerüchte, dass es sich beim Butt um einen luftleeren
Kugelfisch der Nordseeküste handelt, entbehren im übrigen
jeglicher Grundlage. Die Beute war von den Urvätern also
ausgemacht, blieb die Frage nach der Fangmethode. Da Wurster
Bauern, wenn sie mal nicht weiter wissen, die berühmte "Bauernschläue"
anwenden, taten sie das auch in diesem Falle und überließen
die Beantwortung der Frage einstweilen ihren Frauen und Mägden. Konnte das
gut gehen? Hätte man vielleicht lieber eine Anleihe bei
den Pferdefischern an der Küste Belgiens nehmen sollen,
die bei alltäglichen Fangritten mit ihren Brabanter Kaltblütern
die Schleppnetze durch die Brandung
ziehen? Nun, nobelpreisverdächtige Verfahren wurden natürlich
nicht hervorgebracht. Aber es verwundert dann doch schon, mit
welch kuriosen Gerätschaften die Damen ganz passabel Küstenfischerei
betrieben. Krabben fingen sie mit der Zell auch Schiebehamen
genannt, indem sie diesen einfach gebauten Netzrahmen am Flutsaum
oder in den Prielen vor sich her schoben. Gesammelt wurden die
gefangenen Granat dann in mitgeführten Weidenkörben.
Ebenfalls bei auflaufendem Wasser gingen sie mit einem forkenähnlichen
und mit Metallspitzen und Widerhaken bewährtem Werkzeug,
der "Butt-Pricke", der Flut entgegen und versuchten
durch blitzschnelles Zustoßen die herannahenden Flundern
auf dem Wattengrund aufzuspießen. Ebenso unsanft stellten
sie mit einer "Aal-Harke" den schlangengleichen Tieren
bei Einsetzen der Tide in den Prielen nach. Alle drei Methoden
Hamen, Pricke und Harke gehören aber schon seit langen Jahren
der Vergangenheit an. Letztere sind nicht nur verboten sondern
auch kein Bestandteil der offiziellen Jungfischerscheinprüfungsverordnung
mehr. Im Gegensatz dazu
viel weniger brutal, ja geradezu gefühlvoll und auch eher
von den Herren praktiziert, ging und geht es beim "Buttpedden"
zu. Wie von einem Stromstoß -durch den Fluchtversuch des
Fisches verursacht- getroffen, neigt der Treter bei seiner ersten
"Begegnung" allerdings dazu, den Fuß, unter dem
das Tierchen weilt und um seine Freiheit ringt, so rasch wie
möglich anzuheben. Nicht machen! Stark bleiben! Denn - hat
man sich erst einmal an das Gefühl gewöhnt und weiß:
Jetzt erst recht drauf! Dann ist man einer leckeren Mahlzeit
schon ein schönes Stückchen näher gekommen. Gleichwohl
- Eingeweihte wissen das - im Sack ist der Butt damit noch nicht.
Als weiteres Verfahren ist der Buttfang mit der Sperr- oder Buttlade
bekannt. Bei dem Fanggerät sind zwei ca. 3,5 Meter lange
Holzstangen, zwischen denen ein beutelförmiges Netz befestigt
ist, zu einer Schere verbunden und werden mit einem Querriegel
auseinandergehalten. Diese Lade schoben Männer durch das
ab- oder auflaufende hüfttiefe Wasser und die aufgeschreckten
Buttfische
landeten nicht selten zunächst im Netz, um danach im geschulterten
Leinensack des Fischers zu verschwinden. Die Bedienung der Buttladen
war für Frauen zu schwer. Ohnehin übernahmen Männer,
teils als Hauptberuf oder als Zuerwerb, immer mehr die Fischereiaufgaben
der Damen. Hatte man doch längst erkannt, dass die Frauen
sich beim Zubereiten der lukullischen Meeresfrüchte am heimischen
Herd noch viel besser hervortaten als mit nassen Rockzipfeln
im Wremer Watt. Und die Herren der Schöpfung gingen sehr
erfolgreich daran die Fangmethoden zu verfeinern. Raffinierte
Reusen wurden konstruiert und geflochten. Für den Aal wurde
zum Beispiel eine spezielle Greiftechnik entwickelt. Bei auf-
und ablaufendem Wasser watete der Fischer durch die halbvollen
Priele und griff auf bloßem Verdacht oder initiiert durch
eine Eingebung in die Löcher der Prielufer, die dem Aal
häufig als heimische Behausung dienten. Häufig aber
eben auch nicht und dann hatte man im glücklichen Falle
nix und im unglücklichen Fall eine dicke Krebsschere mitsamt
Krebs am Daumen hängen. Es glich dann schon fast einer technischen
Revolution, als Wremer Männer darangingen ihre Netze und
die Reusen bei Ebbe mit von Hunden gezogenen Schlitten ins Watt
zu transportieren und auf gleichem Wege den Fang anzulanden.
Auch
heute können interessierte Gäste unseres Nordseebades
dieses Schauspiel noch miterleben, denn es gibt sie noch - die
"Fischer ohne Schiff".
Eine andere wichtige Neuerung wurde dann auch noch eingeführt.
Während ursprünglich die rohen grau-grünen Krabben
an den Endverbraucher verkauft wurden und das Kochen dem Kunden
überlassen wurde, gingen die Fischer und ihre Frauen alsbald
selbst daran die Granat direkt nach dem Fang zuzubereiten und
für den Konsumenten zu veredeln, bevor es dann mit dem Fahrrad
oder einer Saxonette zum Verkauf durch Wremen, nach Sievern oder
zu den Feinschmeckern nach Bremerhaven ging. Service-Wüste
Deutschland? Bei uns nicht!
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