Nordsee-Zeitung, Mittwoch 23.10.2002

Fischer in Wremen ohne Netz und Schiff
Erhard Djuren erhält alte Tradition der Reusenfischerei aufrecht

Wremen (Samtgemeinde Land Wursten). Als lebendigen Geschichtsunterricht kann man den Blick über den Deich in Wremen-Schmarren deuten. Bei Ebbe ist die Arbeit des Reusenfischers Erhard Djuren (58) mit einem Hundeschlitten im Watt zu beobachten. Der Wremer ist ein Fischer ohne Schiff und Netz.
"Gerade war ich mit meiner Familie im Museum für Wattenfischerei, habe staunend die Geschichte der Fischerei verfolgt. Jetzt stehe ich auf dem Deich und traue meine Augen nicht: Ich sehe, wie ein Mann mit seinem beladenen Hundeschlitten über das Watt geleitet, um seine Reusen zu leeren", erzählt Feriengast Lothar Dietrich aus Duisburg.
So sind die meisten Reaktionen von Touristen, aber auch von Einheimischen, die fasziniert an der Uferkante stehen und noch schnell ein Foto schießen mit dem Nachsatz: "Sonst glaubt mir das ohnehin keiner."Erhard Djuren leert seine Reusen
Der vorerst letzte Reusenfischer an der Wurster Küste war Werner Hoffmann gewesen. 1979 fuhr er zuletzt mit seinem Hundeschlitten zu seinen Reusen ins Watt. "Das Alter des Mannes, aber auch die veränderte Wattenlandschaft, die zu immer geringeren Fängen führte, ließen die Tradition des Krabbenfischens ohne Schiff und Netz für längere Zeit zur Geschichte werden", erläutert Djuren, der die alte Fangmethode wieder aufleben lässt.
Reusenflechten im Winter
Auf die Frage nach dem Grund entsteht bei Djuren ein breites Grinsen: "Mein Wunsch ist, die Tradition in Schmarren und Rintzeln fortzusetzen. Für mich gibt es nichts Schöneres, als die langen Winterabende mit Reusenflechten hinter dem warmen Ofen zu verbringen und im Frühjahr mit meinen Hunden ins Watt zu fahren, um geeignete Plätze zum Aufstellen der Reusen zu suchen", berichtet der Hobbygfischer.
Für Djuren sei es ein immer wiederkehrendes Erlebnis, wenn er von Touristen im Watt beobachtet werde und anschließend die fielen Fragen der "Sehleute" an Land beantworten könne. "Im Museum wird die Vergangenheit gezeigt, bei mir wird das Reusenfischen in der Gegenwart praktiziert", sagt der Wremer.
Djuren ist in Rintzel aufgewachsen, erlebte bereits 1955 in der einklassigen Volksschule in Wremen-Schmarren, wie sich sein Lehrer Otto Kuhland in den Pausen zum Reusenfischer Wilhelm Matull gesellte. "Bei Grog und Bommerlunder leistete er dem Reusenfischer Gesellschaft. Damals nannte man so etwas Tagespolitik", erinnert sich Djuren.
Beim Erzählen streichelt der Wremer seinem Hund über den Kopf. Auf die Frage "Wollen wir los?" springt der Vierbeiner auf und rennt bellend zur Tür. "Ist ja gut", beruhigt Djuren ihn.
Die drei vierbeinigen Helfer des Reusenfischers
In den 50ger Jahren gab es in den Wremer Ortsteilen Solthörn und Schmarren acht Reusenfischer, die täglich mit ihrem Hundewagen den Gammel (kleine Krabben) zur Wremer
Krabbendarre fuhren, wo sie gekocht wurden. Immer häufiger nahm Otto Kuhland den damals zwölfjährigen Erhard Djuren mit zu Wilhelm Matull, der dem Jungen mit den Kopfweiden an der Schmarrener Schule das Reusenflechten beibrachte.
Hundeschlitten bauen lassen
Vier Jahre später ließ sich Djuren von Heinrich Carstens, der später sein Schwiegervater wurde, seinen ersten Hundeschlitten bauen und stellte erstmals seine eigenen Reusen im Watt vor der Küste in Rintzeln auf.
"Ich bin seit meiner Kindheit eng mit der Reusenfischerei verbunden. Meine Frau sagt immer, sie müsse mich wohl noch mit 80 Jahren aus dem Watt holen, hat aber Verständnis für mein Hobby", verrät der Wremer.
Auf die Frage nach seinem größten Wunsch, antwortet Djuren nicht, wie erwartet: "Jümmers dicke Büdels". Sondern:" Es wäre schön, einen Nachfolger zu finden." Wer sich für die traditionelle Reusenfischerei interessiert, sollte sich bei Niedrigwasser an der Uferkante in Schmarren einfinden, um mit Erhard Djuren nach seiner Rückkehr zu plaudern.
jm
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